Montag, 10. Januar 2011

TERRA INCOGNITA

Es war im Sommer 1982. Ich war auf der griechischen Insel Korfu und da gab es eine Stelle, die nur 1 1/2 Kilometer von Albanien entfernt lag - jenes unbekannte Land von dem ich nur wusste, dass dorthin nur begleitete Gruppenreisen möglich wären, und es nicht erlaubt sei, alleine das Hotel zu verlassen. So etwas wollte ich mir keinesfalls antun, aber die Neugier war dennoch gross. Immerhin war es schon genug Unannehmlichkeit, dass man nach Griechenland einen hunderte Kilometer langen Umweg in Kauf nehmen musste, nur weil ein von krankhaftem Verfolgungswahn geplagter Despot glaubt, ein Land mitsamt seiner Menschen von der Aussenwelt hermetisch abriegeln zu müssen. Also begab ich mich zu jener Stelle der Insel Korfu, die Albanien am nächsten lag und hoffte, mit einem Fernglas ausgestattet einen kleinen Einblick in dieses rätselhafte Land zu ergattern. Ich nahm mein Fernglas und spähte das gegenüberliegende Ufer ab. Erkennen konnte ich nur ein kleines Boot, das dort vor Anker lag und ein paar Häuser aber keine Menschenseele. Da ich es nicht glauben konnte, dass es dort nichts gab, schlug ich dort gleich mein Übernachtungsquartier auf und spähte den Rest des Tages durch mein Fernglas. Nach langer Zeit konnte ich drüben einen langsam fahrenden LKW erspähen und das war es schon. Als es dann später dunkel wurde gingen die Lichter an, aber das gegenüberliegende Ufer blieb weiterhin stockdunkel. Nun begab ich mich zu einer nahegelegenen Taverne um mir meinen leeren Magen zu füllen und fragte den Wirt, ob es drüben immer so menschenleer sei. Dieser antwortete mir: "Ob es dort drüben Menschen gibt, das wissen wir nicht, aber wenn es welche geben sollte, dann haben sie das elektrische Licht sicher noch nicht erfunden. Tags darauf begab ich mich weiter nach Norden und konnte in der Ferne eine kleine Stadt (Sarranda) erspähen. Aber die lag schon zu weit weg, um mit dem Fernglas Details erkennen zu können. Somit blieb Albanien weiterhin ein Geheimnis. Inzwischen ist ein Vierteljahrhundert vergangen und ich kannte nicht nur ganz Europa, sondern auch ferne Kontinente. Die Erde hat sich weiter gedreht und die politische Lage verändert. Wenn heute irgendwo das Stichwort Albanien fällt, wird dies meist mit organisierter Kriminalität, Drogenhandel und Autoschieberbanden in Zusammenhang gebracht. In der Tat sind gewiss nicht wenige, der in Albanien fahrenden Autos irgendwo in Westeuropa geklaut worden. Allen Vorurteilen zum Trotz ist Albanien heute ein relativ sicheres Reiseland, jedenfalls nicht gefährlicher als die Nachbarländer Montenegro oder Kroatien. Alle Empfehlungen, die Albanien als unsicheres Land einstufen bedürfen einer Überarbeitung. Unzählige Hotels, die in den letzten 15 Jahren entstanden sind, warten auf Gäste. Die Einreise gestaltet sich noch etwas bürokratisch und zeitaufwendig, aber dennoch unkompliziert. Es ist eines der wenigen Länder Europas, wo man noch einen Pass benötigt; ausserdem braucht man die KFZ-Zulassungsbescheinigung (Kraftfahrzeugschein), die grüne Verischerungskarte und unbedingt die beglaubigte Benutzervollmacht, wenn man nicht mit dem eigenen Wagen fährt. Mit all diesen Papieren bekommt man dann einen albanischen KFZ-Schein, der beim Verlassen des Landes wieder abzugeben ist. Danach wird noch eine Einreisegebühr von 10 Euro eingehoben, für die man keine Quittung erhält. Es ist ratsam, nicht auf eine Quittung zu bestehen, da die Grenzbeamten schlecht bezahlt sind. Beim Verlassen das Landes sind dann noch einmal 2 Euro KFZ-Abgabe zu entrichten. Andersrum ist es bislang für die Menschen in Albanien nicht so einfach, das übrige Europa zu besuchen. Selbst wenn sie nur auf die griechische insel Korfu wollen, benötigen sie ein Schengen-Visum.

Genau 25 Jahre nach meinen ergebnislosen Fernglasbeobachtungen habe ich das gemacht, was damals nicht möglich war: die Adriaküste entlang bis nach Korrfu gefahren. Das Ergebnis ist nun hier zu sehen: "Europes terra inkognita". Die Fotoshow sollte zweckmässigerweise im Vollbildmodus angesehen werden.