Dienstag, 23. September 2014

Kärnten is a Wohnsinn

9 Wochen war unsere Tocher alt – damals im Sommer 1991. Das Wetter war sommerlich
heiß und nichts sprach dagegen, an einen Kärntner See zu fahren. So packten wir eine Packung Pampers, Kinderwagen und Maxicosi und Wäsche für ein paar Tage ins Auto und fuhren los. In Velden am Wörthersee kannte ich eine nette kleine Frühstückspension, in der ich schon in den Jahren davor öfters abstieg, wenn ich einen Freund von mir besuchte, der zur Sommersaison immer dort arbeitete.
„Zimmer frei“ stand auf der Eingangstür, als wir ankamen und so machte parkte ich den Wagen vor dem Haus um mit der Wirtin zu sprechen.
Als ich ihr sagte, dass wir eine Familie, bestehend aus 2 Personen und einem Baby sind, wurde ihr Tonfall unfreundlicher. Vielleicht hätte sie uns gerne wieder weggeschickt und tat dies bloß deshalb nicht, weil es doch schon nach 20:00 Uhr war. Aber sie gab mir zu verstehen, dass das Zimmer nur für eine Nacht frei sei.
„Und Ihr geht’s jo eh glei schloofn“ sagte sie. Ich antwortete, dass wir erst mal Essen gehen wollen, zumal unser Baby während der Fahrt geschlafen hatte und nun völlig munter sei. So begaben wir uns erst mal zum Abendessen um danach noch einen abendlichen Spaziergang zu unternehmen, ehe wir uns auf das Zimmer zur Nachtruhe begaben. Die Nacht verlief nicht anders als Nächte mit einem Baby in den ersten 6 Lebensmonaten allgemein verlaufen – 2x wird man eben geweckt, weil sich Hunger oder Durst einstellen – anschließend können alle den Schlaf fortsetzen.
Dafür wurden wir am darauffolgenden Morgen im Frühstücksraum mit folgenden Worten begrüßt: „Na de hot oba die gonze Nocht schee laut gschrian – do samma olle aufgwocht“.
Dieser freundliche Morgengruß hielt uns aber dennoch nicht davon ab, das Frühstück ausgiebig zu zelebrieren. Das Wetter hatte in der Nacht umgeschlagen und da wir dort, wo wir waren ohnehin raus mussten, stellten wir Überlegungen an, was wir weiter tun könnten.
Doch zunächst war noch die Morgentoilette zu absolvieren. Das Zimmer verfügte zwar über eine räumlich abgetrennte, jedoch fensterlose Toilette. Da aber das Licht nicht funktionierte,
war ich gezwungen, während meiner Sitzung die Türe geöffnet zu lassen. Urplötzlich und ohne zuvor anzuklopfen stand die Wirtin im Zimmer. Obwohl sie sah, daß ich mich gerade auf der Toilette befand, machte sie keinerlei Anstalten, sich zu entschuldigen und sagte nur: „Saad’s boid fertig? Die Gäst san scho doo.“
Wir bezahlten die freundliche Unterkunft und beschlossen, noch mal 2 Stunden zu fahren um uns uns nach Italien an die obere Adria zu begeben, wo man auch mit einem Baby im Hotel willkommen ist und niemand etwas daran auszusetzen hat, wenn man abends zu späterer Stunde damit unterwegs ist.





Sonntag, 16. März 2014

Der Baulöwe

Die hier beschriebene Person ist nicht erfunden, sondern hat tatsächlich gelebt und der Verfasser dieser
Zeilen kannte sie auch. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes wird jedoch kein Name erwähnt. Ähnlichkeiten mit anderen lebenden oder toten Personen sind rein zufällig.

In seinen Adern floss blaues Blut, sein Gesicht war durch einige Mensuren zerfurcht und auch sonst war er ein auffälliger Mensch. Auffällig vor allem durch seine maßgefertigten Anzüge, die aus einem Sakko und einer gleichfarbigen Überfallhose bestanden, die zu dieser Zeit niemand sonst mehr trug.

Da er zeitlebens ledig und kinderlos blieb hatte er die Leitung seines Unternehmens schon frühzeitig einem leitenden Ingenieur übertragen, der von ihm auch als Firmenerbe auserkoren war. Dies brachte es mit sich, dass er sich nur mehr fallweise für kurze Zeit in seinem Büro blicken ließ um dort die Papiere und Schreibutensilien auf den diversen Schreibtischen seiner Mitarbeiter gerade zu richten. Meist waren diese froh, wenn er das Büro wieder verließ, damit sie ihre Arbeit ungestört fortsetzen konnten.
Was mich jedoch damals im Kindesalter an seinem Büro am meisten faszinierte war ein im Eingangsbereich deutlich sichtbar platziertes, im Bilderrahmen eingerahmtes Druckwerk mit folgendem Wortlaut:
„Mit jedem Tag meines Lebens erhöht sich zwangsläufig die Zahl jener Menschen,
die mich am Arsch lecken können“
Nach seinem Bürobesuch begab er sich meist in ein nahegelegenes Restaurant, wo er einen großen Teil des Tages verbrachte um dort seine Geschäftspartner wie auch Freunde zu empfangen. Wer mit ihm zusammensaß konnte den Eindruck gewinnen, sein Hauptnahrungsmittel wäre das Bier, aber die dem Biertrinker häufig zugeordneten Rundungen fehlten ihm dennoch gänzlich.

In den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg und auch später zur Zeit des Wirtschaftswunders gab es viel zu bauen. Erst ging es um den Wiederaufbau. Um historische Bausubstanz kümmerte man sich damals kaum. Bombenruinen wurden einfach abgerissen und durch gesichtslose Neubauten im Käse + Löcher Stil ersetzt. Später in der Zeit des Wirtschaftswunders war bei bessergestellten Personen vor allem Komfort gefragt – und diesen konnte man nach damaligem Verständnis nur in Neubausiedlungen an der Peripherie der Städte bekommen. Diese Wohnungen hatten Zentralheizung, Bad, WC und fließendes Kalt- und Warmwasser; heute Selbstverständlichkeiten. Die Altbauten in den Stadtzentren dagegen hatten meist nur Einzelofenheizungen, WC und oft sogar das Wasser außerhalb der Wohnung. Sie waren vor allem jenen Personen vorbehalten, für die Neubauten zu teuer waren. An Modernisierung und Revitalisierung dachte zur damaligen Zeit noch niemand, zumal die Einnahmen oft nicht mal für die notwendigsten Reparaturen ausreichten.
Aber der Bauindustrie ging es gut und mit ihr ging es auch dem Baulöwen gut. Und das musste auch so sein, denn sein eigenwilliger Lebensstil wollte ja auch irgendwie finanziert sein.
Obwohl er seine geschäftlichen Wege immer mit dem Taxi zurücklegte besaß er 2 baugleiche Sportwägen, die sich nur durch die Farbe unterschieden. Es waren Sondermodelle von Alfa Romeo die nur in einer kleinen Serie produziert wurden. In Österreich sollen damals insgesamt nur 3 davon zugelassen worden sein, von denen ihm 2 gehörten. Benutzt wurden sie ausschließlich für Fahrten zu seinem Jagdrevier und gelegentliche Fahrten nach Italien. Die Wartung erfolgte durch den Chefmechaniker des Bauunternehmens, der ansonsten für die Wartung der Baumaschinen und Baustellenfahrzeuge zuständig war. Im Übrigen war dieser auch der Einzige, der befugt war, an diesen Fahrzeugen die Motorhaube zu öffnen. Als bei einem dieser Wägen einmal in Italien ein technisches Problem auftrat, musste der Mechaniker eigens deswegen nach Italien reisen, da kein Fremder daran werken durfte. Auch sonst waren die Wägen sauber und gepflegt, da sie natürlich nach jeder Ausfahrt gewaschen wurden – natürlich manuelle Wäsche, denn Waschanlagen gab es zur damaligen Zeit noch nicht. Im Inneren mussten die Fahrzeuge seltener gereinigt werden, da der Besitzer sehr penibel war. Am Fußboden hatte er an die 20-30 Lagen Zeitungspapier übereinander aufgebreitet. Jedes mal, wenn er ausstieg, nahm er die oberste Lage Zeitungspapier mitsamt dem darauf befindlichen Schmutz heraus. So blieb der Boden immer sauber.

Und ganz offensichtlich dürfte ihm die Selbstdarstellung auch ein wichtiges Anlegen gewesen sein, denn in meinem bisherigen Leben kannte ich keinen zweiten Menschen, der sich von einem Maler als Jesus Christus mit seinem Kopf verewigen ließ.

Sein Leben endete im Spätherbst des Jahres 1981. Das besagte Bild existiert bis heute und niemand ist daran interessiert, es käuflich zu erwerben.

Wie lange das Unternehmen über sein Lebensende hinaus bestand, ist nicht mehr feststellbar. Ein Einblick in das Firmenbuch gibt nur den folgenden Aufschluss:

„Bauunternehmung Dipl. Ing. *********** ist eine in Österreich als Kommanditgesellschaft registrierte Firma mit der Register-Nr. *************. Ihr derzeitiger Status ist "aufgelöst"