Die hier beschriebene Person ist
nicht erfunden, sondern hat tatsächlich gelebt und der Verfasser dieser
Zeilen
kannte sie auch. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes wird jedoch kein Name
erwähnt. Ähnlichkeiten mit anderen lebenden oder toten Personen sind rein
zufällig.
In seinen Adern floss blaues
Blut, sein Gesicht war durch einige Mensuren zerfurcht und auch sonst war er
ein auffälliger Mensch. Auffällig vor allem durch seine maßgefertigten Anzüge,
die aus einem Sakko und einer gleichfarbigen Überfallhose bestanden, die zu
dieser Zeit niemand sonst mehr trug.
Da er zeitlebens ledig und
kinderlos blieb hatte er die Leitung seines Unternehmens schon frühzeitig einem
leitenden Ingenieur übertragen, der von ihm auch als Firmenerbe auserkoren war. Dies
brachte es mit sich, dass er sich nur mehr fallweise für kurze Zeit in seinem
Büro blicken ließ um dort die Papiere und Schreibutensilien auf den diversen
Schreibtischen seiner Mitarbeiter gerade zu richten. Meist waren diese froh,
wenn er das Büro wieder verließ, damit sie ihre Arbeit ungestört fortsetzen
konnten.
Was mich jedoch damals im
Kindesalter an seinem Büro am meisten faszinierte war ein im Eingangsbereich
deutlich sichtbar platziertes, im Bilderrahmen eingerahmtes Druckwerk mit folgendem Wortlaut:
„Mit jedem Tag meines
Lebens erhöht sich zwangsläufig die Zahl jener Menschen,
die mich am Arsch lecken
können“
Nach seinem Bürobesuch begab er
sich meist in ein nahegelegenes Restaurant, wo er einen großen Teil des
Tages verbrachte um dort seine Geschäftspartner wie auch Freunde zu empfangen. Wer
mit ihm zusammensaß konnte den Eindruck gewinnen, sein Hauptnahrungsmittel wäre das Bier, aber die dem Biertrinker häufig zugeordneten Rundungen fehlten ihm
dennoch gänzlich.
In den Jahren nach dem zweiten
Weltkrieg und auch später zur Zeit des Wirtschaftswunders gab es viel zu bauen.
Erst ging es um den Wiederaufbau. Um historische Bausubstanz kümmerte man sich
damals kaum. Bombenruinen wurden einfach abgerissen und durch gesichtslose
Neubauten im Käse + Löcher Stil ersetzt. Später in der Zeit des
Wirtschaftswunders war bei bessergestellten Personen vor allem Komfort gefragt
– und diesen konnte man nach damaligem Verständnis nur in Neubausiedlungen an der Peripherie der Städte bekommen. Diese Wohnungen hatten Zentralheizung, Bad, WC und
fließendes Kalt- und Warmwasser; heute Selbstverständlichkeiten. Die Altbauten
in den Stadtzentren dagegen hatten meist nur Einzelofenheizungen, WC und oft
sogar das Wasser außerhalb der Wohnung. Sie waren vor allem jenen Personen
vorbehalten, für die Neubauten zu teuer waren. An Modernisierung und
Revitalisierung dachte zur damaligen Zeit noch niemand, zumal die Einnahmen oft
nicht mal für die notwendigsten Reparaturen ausreichten.
Aber der Bauindustrie ging es gut
und mit ihr ging es auch dem Baulöwen gut. Und das musste auch so sein, denn
sein eigenwilliger Lebensstil wollte ja auch irgendwie finanziert sein.
Obwohl er seine geschäftlichen Wege
immer mit dem Taxi zurücklegte besaß er 2 baugleiche Sportwägen, die sich nur
durch die Farbe unterschieden. Es waren Sondermodelle von Alfa Romeo die nur in
einer kleinen Serie produziert wurden. In Österreich sollen damals insgesamt
nur 3 davon zugelassen worden sein, von denen ihm 2 gehörten. Benutzt wurden
sie ausschließlich für Fahrten zu seinem Jagdrevier und gelegentliche Fahrten
nach Italien. Die Wartung erfolgte durch den Chefmechaniker des
Bauunternehmens, der ansonsten für die Wartung der Baumaschinen und
Baustellenfahrzeuge zuständig war. Im Übrigen war dieser auch der Einzige, der
befugt war, an diesen Fahrzeugen die Motorhaube zu öffnen. Als bei einem dieser
Wägen einmal in Italien ein technisches Problem auftrat, musste der Mechaniker
eigens deswegen nach Italien reisen, da kein Fremder daran werken durfte. Auch
sonst waren die Wägen sauber und gepflegt, da sie natürlich nach jeder Ausfahrt
gewaschen wurden – natürlich manuelle Wäsche, denn Waschanlagen gab es zur
damaligen Zeit noch nicht. Im Inneren mussten die Fahrzeuge seltener gereinigt
werden, da der Besitzer sehr penibel war. Am Fußboden hatte er an die 20-30
Lagen Zeitungspapier übereinander aufgebreitet. Jedes mal, wenn er ausstieg,
nahm er die oberste Lage Zeitungspapier mitsamt dem darauf befindlichen Schmutz
heraus. So blieb der Boden immer sauber.
Und ganz offensichtlich dürfte
ihm die Selbstdarstellung auch ein wichtiges Anlegen gewesen sein, denn in
meinem bisherigen Leben kannte ich keinen zweiten Menschen, der sich von einem
Maler als Jesus Christus mit seinem Kopf verewigen ließ.
Sein Leben endete im Spätherbst
des Jahres 1981. Das besagte Bild existiert bis heute und niemand ist daran interessiert, es käuflich zu erwerben.
Wie lange das Unternehmen über sein Lebensende hinaus bestand, ist nicht mehr feststellbar. Ein Einblick in das Firmenbuch gibt nur den folgenden Aufschluss:
Wie lange das Unternehmen über sein Lebensende hinaus bestand, ist nicht mehr feststellbar. Ein Einblick in das Firmenbuch gibt nur den folgenden Aufschluss:
„Bauunternehmung Dipl. Ing. *********** ist
eine in Österreich als Kommanditgesellschaft registrierte Firma mit der
Register-Nr. *************. Ihr derzeitiger Status ist "aufgelöst"